Neuigkeiten - Recht

Trotz Krankschreibung: Kein Verletztengeld für ehemaligen Fußballprofi mit laufender Physiopraxis

Das Bundessozialgericht (BSG) musste sich mit der Frage beschäftigen, ob ein ehemaliger Profifußballer während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Verletztengeld erhalten kann, wenn er weiterhin Einnahmen aus seinem eigenen Unternehmen erzielt. Wichtig bei der Bewertung waren - wie immer - die Details, und die lagen hier im Mitwirkungsgrad des Verletzten und in der Frage nach einem möglichen Einkommensverlust.

Das Bundessozialgericht (BSG) musste sich mit der Frage beschäftigen, ob ein ehemaliger Profifußballer während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Verletztengeld erhalten kann, wenn er weiterhin Einnahmen aus seinem eigenen Unternehmen erzielt. Wichtig bei der Bewertung waren - wie immer - die Details, und die lagen hier im Mitwirkungsgrad des Verletzten und in der Frage nach einem möglichen Einkommensverlust.

Ein früherer Fußballprofi betrieb nach dem Ende seiner Karriere eine eigene Praxis für Physiotherapie mit mehreren Angestellten. Wegen jahrelanger Kniebelastungen wurde bei ihm eine Berufskrankheit anerkannt, die eine dauerhafte Schädigung des Meniskus zur Folge hatte. Deshalb bekam er bereits eine Verletztenrente. Im Dezember 2014 wurde er schließlich krankgeschrieben und war wegen seiner Kniebeschwerden arbeitsunfähig. Trotzdem leitete er seine Praxis weiter, kümmerte sich um Organisation sowie Kunden und war aktiv im Geschäft tätig. Als er Verletztengeld bei der Berufsgenossenschaft beantragte, lehnte diese den Antrag ab, weil er weiterhin Einkünfte erzielte. Er klagte dagegen - jedoch erfolglos.

Das BSG bestätigte, dass kein Anspruch auf Verletztengeld besteht, sobald während der Arbeitsunfähigkeit Einkommen aus der eigenen Tätigkeit weiterfließt. Dabei ist es egal, ob der Unternehmer selbst körperlich arbeite oder das Einkommen aus laufenden Umsätzen stamme. Das Gesetz sieht hier vor, dass jede Art von Arbeitseinkommen auf das Verletztengeld angerechnet wird. Zwar kann bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit eines Selbständigen ein "fiktiver Einkommensverlust" anerkannt werden, wenn das Unternehmen weniger verdient. Das war hier aber nicht der Fall, weil der ehemalige Fußballer weiterhin wichtige Aufgaben übernahm. Es spielte daher auch keine Rolle, ob die Einnahmen durch eigene Arbeit oder automatisch zustande kommen. Solange das Unternehmen Geld einbringt, entfällt der Anspruch auf Verletztengeld.

Hinweis: Wer während einer Krankschreibung Geld aus dem eigenen Unternehmen bekommt, kann also kein zusätzliches Verletztengeld bekommen. Das gilt auch, wenn die Arbeitskraft eingeschränkt ist. Wichtig ist, ob weiterhin im Betrieb mitgearbeitet wird oder die Einnahmen einfach weiterlaufen. Unternehmer sollten deshalb genau prüfen, wie sehr sie im Krankheitsfall wirklich ausfallen, denn das beeinflusst ihren Anspruch auf Leistungen aus der Unfallversicherung.


Quelle: BSG, Urt. v. 25.03.2025 - B 2 U 2/23 R
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 09/2025)

Sturz bei alpiner Radtour: Reiseveranstalter muss Schadensersatz zahlen, weil Guides einen zu riskanten Weg wählten

Bei einer als "Heavy-Cycling-Tour" beworbenen Radtour sollte man davon ausgehen, dass alles nicht so "easy" wegzulächeln ist, sollte es zu einem Sturz kommen. Doch ob man das unter "selbst schuld" verbuchen muss oder eher die Guides hierbei die Verantwortung tragen, ist wie immer eine Frage der konkreten Umstände. Und diese musste das Landgericht Frankfurt am Main (LG) klären.

Bei einer als "Heavy-Cycling-Tour" beworbenen Radtour sollte man davon ausgehen, dass alles nicht so "easy" wegzulächeln ist, sollte es zu einem Sturz kommen. Doch ob man das unter "selbst schuld" verbuchen muss oder eher die Guides hierbei die Verantwortung tragen, ist wie immer eine Frage der konkreten Umstände. Und diese musste das Landgericht Frankfurt am Main (LG) klären.

Am fünften Tag ihrer Sportreise nahmen ein Mann und seine Partnerin an einer geführten "Heavy-Cycling-Tour" mit E-Bikes teil. Die Tour war auf vier Stunden ausgelegt und führte zunächst über gut befahrbare Wege bis auf etwa 1.800 Meter Höhe. Wegen Schnees und aufgeweichten Bodens änderten die Guides die Route und führten die Gruppe einen schmalen Wanderweg mit steilem Abhang entlang. Dort mussten die Teilnehmer ihre schweren E-Räder schieben. Dabei stürzte der Mann und verletzte sich schwer am Sprunggelenk, woraufhin er mit einem Hubschrauber ins Tal gebracht werden musste, was logischerweise keine billige Angegenheit war. Zudem war der restliche Urlaub futsch, da der Mann die restliche Zeit nicht mehr aktiv nutzen konnte. Also wieder einmal nutzlos aufgewendete Urlaubszeit, die als Reisemangel Ersatzansprüche nach sich zieht?

Das LG prüfte, ob die Tourguides ihre Fürsorgepflicht verletzt hatten, und erkannte im Ergebnis einen Reisemangel an. Die Guides hatten ihre Pflichten verletzt, indem sie einen Weg nahmen, dessen Schwierigkeit und Zustand sie nicht kannten und der höhere Anforderungen stellte als die gebuchte Tour. Der Unfall sei keine normale Gefahr des Lebens, sondern durch die Wahl des Wegs von den Guides verursacht worden. Der Mann trug kein Mitverschulden, denn der Weg war durchaus sehr schwierig und das Schieben der schweren E-Bikes machte einen Sturz besonders gefährlich. Auch die Behauptung, die Verletzung sei auf mangelnde Fitness zurückzuführen, wies das Gericht zurück, da keine Beweise dafür vorlagen. Der Reiseveranstalter musste die Bergungs- und Behandlungskosten übernehmen, eine Entschädigung für den entgangenen Urlaub zahlen und Schmerzensgeld leisten.

Hinweis: Das Urteil ist noch nicht endgültig und kann vor einem höheren Gericht angefochten werden. Wer an geführten Touren teilnimmt, sollte darauf achten, dass die Veranstalter ihre Pflichten kennen und nicht unzureichend vorbereitete Strecken wählen. Die Sicherheit der Teilnehmer steht dabei im Vordergrund.


Quelle: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 26.06.2025 - 2-24 O 55/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 09/2025)

Unaufmerksame Flugpassagierin: Reiseveranstalter ist kein Informationsdienst und haftet nicht bei Gateänderungen

Für manche Urlauber beginnt die verdiente Auszeit schon nach dem Check-in am Flughafen. Doch auch, wer den Trubel dort wunderbar ausblenden kann, sollte nie vergessen, dass genau dieser eine gewisse Flexibilität aller Beteiligten erfordert, um reibungslos zu funktionieren. Die Klägerin vor dem Landgericht Köln (LG) war sich dessen wohl nicht bewusst und machte für ihren vermasselten Reisestart den Veranstalter verantwortlich. Zu Recht?

Für manche Urlauber beginnt die verdiente Auszeit schon nach dem Check-in am Flughafen. Doch auch, wer den Trubel dort wunderbar ausblenden kann, sollte nie vergessen, dass genau dieser eine gewisse Flexibilität aller Beteiligten erfordert, um reibungslos zu funktionieren. Die Klägerin vor dem Landgericht Köln (LG) war sich dessen wohl nicht bewusst und machte für ihren vermasselten Reisestart den Veranstalter verantwortlich. Zu Recht?

Eine Frau hatte über ein Vergleichsportal eine Pauschalreise nach Kenia mit Hin- und Rückflug sowie Hotel und Verpflegung gebucht. Am Tag des Abflugs wartete sie am Flughafen Frankfurt pünktlich am Gate A24, so wie es auf der Bordkarte stand. Kurz vor dem Boarding, also dem Einstieg, erfuhr sie auf Nachfrage, dass der Flug nun jedoch von Gate A9 starten sollte. Man ahnt es: Dort kam sie zu spät an, sie verpasste den Flug. Die Frau behauptete, es habe keinerlei Durchsagen oder Anzeigen am Flughafen gegeben, die sie rechtzeitig über das geänderte Gate informiert hätten. Der Reiseveranstalter widersprach, da Änderungen am Flughafen stets auf Monitoren angezeigt und ebenfalls Lautsprecherdurchsagen gemacht werden würden. Zudem würden Personen, die nach ihrem Check-in nicht rechtzeitig am korrekten Gate eintreffen, namentlich aufgerufen werden.

Das LG sah es so, dass kein Mangel an der Reise vorlag, weil der Flug planmäßig und am richtigen Tag stattfand. Welches Gate das war, sei nicht Teil des Reisevertrags. Außerdem erkannte das Gericht keine Pflichtverletzung des Reiseveranstalters, da er nicht dafür zuständig sei, über solche Änderungen zu informieren. Diese Informationen seien am Flughafen üblich und würden von der Fluggesellschaft oder dem Flughafen bereitgestellt. Die Reisende konnte nicht beweisen, dass keine Durchsagen oder Anzeigen gemacht wurden, sondern gab nur an, diese nicht bemerkt zu haben. Das Gericht wies die Klage auf Entschädigung ab.

Hinweis: Wer eine Pauschalreise bucht, muss wissen, dass sich das Abfluggate kurzfristig ändern kann und die Informationen am Flughafen deshalb stets im Blick zu behalten sind. Der Reiseveranstalter muss nicht als ständiger Informationsdienst über alle Änderungen informieren. Reisende sollten daher aufmerksam auf Durchsagen und Monitore achten, um ihre Flüge nicht zu verpassen.


Quelle: LG Köln, Urt. v. 20.03.2025 - 2 O 242/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 09/2025)

Pflichtteilsstrafklausel: Wie "gegen den Willen" des Überlebenden zu verstehen ist

Pflichtteilsstrafklauseln sind ein geeignetes Mittel, um den überlebenden Ehegatten nach dem Tod des ersten Partners nicht mit Pflichtteilsforderungen zu belasten. Im Fall des Oberlandesgerichts Zweibrücken (OLG) ging es nach der Inanspruchnahme des Pflichtteils darum, wie eine in Pflichtteilsstrafklauseln gängige Formulierung auszulegen ist.

Pflichtteilsstrafklauseln sind ein geeignetes Mittel, um den überlebenden Ehegatten nach dem Tod des ersten Partners nicht mit Pflichtteilsforderungen zu belasten. Im Fall des Oberlandesgerichts Zweibrücken (OLG) ging es nach der Inanspruchnahme des Pflichtteils darum, wie eine in Pflichtteilsstrafklauseln gängige Formulierung auszulegen ist.

Die Eheleute hatten im Jahr 2012 ein gemeinschaftliches Testament aufgesetzt und sich darin gegenseitig zu Alleinerben bestimmt. Ihre beiden Kinder sollten Schlusserben nach dem überlebenden Ehegatten werden. Zudem enthielt das Testament eine Pflichtteilsstrafklausel: Wer nach dem Tod des zuerst Verstorbenen "gegen den Willen" des Überlebenden seinen Pflichtteil oder Pflichtteilsergänzungsansprüche verlange und erhalte, werde inklusive der eigenen Nachkommen von der künftigen Erbfolge ausgeschlossen. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 2017 verlangte die Tochter Auskunft über den Nachlass und anschließend die Auszahlung ihres Pflichtteils. Die Mutter erkannte den Anspruch an und zahlte ihr den Pflichtteil aus. Nach dem Tod der Mutter beantragte der Sohn einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist, und begründete dies damit, dass die Schwester durch ihre Pflichtteilsforderung die Strafklausel ausgelöst habe. Diesem Antrag gab das Nachlassgericht statt und begründete dies damit, dass eine Pflichtteilsstrafklausel auch dann eingreift, wenn die Erbin den Anspruch anerkannt habe. Die von der Tochter hiergegen eingelegte Beschwerde war erfolglos.

Das OLG legte dar, dass die Klausel verhindern solle, dass der überlebende Ehegatte mit Pflichtteilsforderungen belastet werde. Die Kinder sollten dadurch motiviert werden, keinen Pflichtteil zu verlangen, um das Vermögen ungekürzt beim Überlebenden zu belassen. Die durchaus gebräuchliche Formulierung "gegen den Willen" bedeute dabei aber nicht, dass der überlebende Ehegatte sich gegen die Pflichtteilsforderung zur Wehr setzen muss. Ausreichend sei es bereits, wenn das Kind ohne vorheriges Einvernehmen oder in anderer konfrontativer Weise den Anspruch geltend mache. Hierfür reiche es bereits aus, dass die Tochter anwaltlich vertreten eine Auskunft "zur vorläufigen Durchsetzung des Pflichtteilsrechts" verlange und anschließend die Auszahlung geltend mache. Da es keine vorherige Absprache mit der Mutter gegeben hatte, war dieses Vorgehen einseitig und konfrontativ - und damit "gegen den Willen" im Sinne der Strafklausel.

Hinweis: Wer nach dem ersten Erbteil seinen Pflichtteil ohne vorherige Absprache einfordert, riskiert den vollständigen Ausschluss von der Erbfolge im zweiten Todesfall.


Quelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 09.07.2025 - 8 W 56/24
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2025)

Herzkrank hinterm Steuer: Kenntnis möglicher Ausfallerscheinungen spricht im Ernstfall gegen komplette Schuldunfähigkeit

Der folgende Fall schlug bundesweit hohe Wellen: Mitten im Herzen Berlins hatte ein 84-Jähriger mit seinem Fahrzeug einen schweren Verkehrsunfall verursacht und dabei eine belgische Touristin und ihr vierjähriges Kind getötet sowie mehrere Personen verletzt. Nun war es am Amtsgericht Berlin-Tiergarten (AG), den Fall so nüchtern wie möglich auf die Frage zu prüfen, welche Schuld dem Fahrer tatsächlich zuzumessen war.

Der folgende Fall schlug bundesweit hohe Wellen: Mitten im Herzen Berlins hatte ein 84-Jähriger mit seinem Fahrzeug einen schweren Verkehrsunfall verursacht und dabei eine belgische Touristin und ihr vierjähriges Kind getötet sowie mehrere Personen verletzt. Nun war es am Amtsgericht Berlin-Tiergarten (AG), den Fall so nüchtern wie möglich auf die Frage zu prüfen, welche Schuld dem Fahrer tatsächlich zuzumessen war.

An dem Fall war nahezu alles spektakulär: Der Unfallverursacher war ein alter Mann, der mit 90 statt 30 km/h in Berlin-Mitte an einer Verkehrsstockung vorbeizufahren versuchte und dabei eine Frau und ihr Kind überfuhr. Diesem Unfall mussten nicht nur zahlreiche Fremde beiwohnen, sondern vor allem auch der Kindesvater, der seitdem schwer traumatisiert und nicht mehr arbeitsfähig ist. Der Beklagte, ein ehemaliger Berufskraftfahrer, warf seinerseits ein, zum Zeitpunkt des Unfalls einen Herzanfall erlitten zu haben, als er auf dem Weg war, zum ersten Mal die Grabstelle seiner vor acht Monaten verstorbenen Frau zu besuchen. Die für den Tod der Gattin ursächliche Krebserkrankung sei 2023 auch der Grund gewesen, sich trotz einer festgestellten Herzrhythmusstörung vorerst keinen Schrittmacher einsetzen zu lassen.

Das AG hat den Autofahrer der fahrlässigen Tötung in zwei Fällen, des fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr sowie der mehrfachen fahrlässigen Körperverletzung schuldig gesprochen und gegen ihn eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der wesentliche Schuldvorwurf bestand darin, dass der Angeklagte in sein Fahrzeug gestiegen war, obwohl er gewusst hatte, dass er an einer Erkrankung leidet, die jederzeit zu körperlichen Ausfallerscheinungen führen kann. Diese Entscheidung habe schlussendlich zum Tod von zwei Menschen geführt.

Hinweis: Das Gericht ging zwar beim Unfall selbst von Schuldunfähigkeit wegen eines akuten Herzanfalls aus, der Schuldvorwurf ergab sich aber aus dem Fahrtantritt mit dem Wissen um mögliche krankheitsbedingte Ausfallerscheinungen.


Quelle: AG Berlin-Tiergarten, Urt. v. 27.06.2025 - 212 Ls 1/25
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2025)

Ermittlungen zu Verkehrsverstößen: Wer zumutbare Mitwirkung verweigert, muss zum Schutz der Allgemeinheit ein Fahrtenbuch führen

Irgendwann ist "Schluss mit lustig", sagte hier die Behörde. Ob sie dies im Fall erfolgloser Ermittlungen zum Fahrer eines zweifach geblitzten Fahrzeugs zu Recht annahm, musste das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG) prüfen. Denn der Halter war der Auffassung, dass sein Schulterzucken ihn quasi auch davon befreien müsse, künftig ein Fahrtenbuch zu führen, und klagte genau dagegen an.

Irgendwann ist "Schluss mit lustig", sagte hier die Behörde. Ob sie dies im Fall erfolgloser Ermittlungen zum Fahrer eines zweifach geblitzten Fahrzeugs zu Recht annahm, musste das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG) prüfen. Denn der Halter war der Auffassung, dass sein Schulterzucken ihn quasi auch davon befreien müsse, künftig ein Fahrtenbuch zu führen, und klagte genau dagegen an.

Sein Fahrzeug wurde zuerst in Düsseldorf mit einer Geschwindigkeitsübertretung von 9 km/h geblitzt. Dieser "Schnappschuss" lohnte sich doppelt, denn der Fahrer hielt zu dem Zeitpunkt immerhin auch noch ein Handy in der Hand. Doch es kam noch dicker; am Abend des folgenden Tags wurde das Fahrzeug erneut in Düsseldorf geblitzt, dieses Mal mit 21 km/h zu viel auf dem Tacho. In beiden Fällen wäre neben einer Geldbuße die Eintragung jeweils eines Punkts im Fahreignungsregister erfolgt, doch auf die Anhörungsschreiben im Bußgeldverfahren reagierte der als Fahrzeughalter angehörte Kläger zunächst nicht. Gegen die sodann erlassenen Bußgeldbescheide legte er Einspruch ein. Dazu fügte er den Ausdruck einer E-Mail bei, in der er auf einen Einspruch in einem weiteren Bußgeldverfahren Bezug nahm und angab, das Fahrzeug nicht gefahren zu haben. Auf weitere Nachfragen der Ermittlungsbehörde zum Fahrer reagierte er nicht. Das Bußgeldverfahren wurde eingestellt, weil der auf dem Foto abgebildete Fahrer nicht ermittelt werden konnte. Die zuständige Behörde in Bottrop ordnete gegenüber dem Kläger an, für das Fahrzeug 18 Monate lang ein Fahrtenbuch zu führen. Hiergegen richtet sich die Klage.

Das VG hat die Auffassung der Behörde nun bestätigt und die Klage abgewiesen. Die Behörde musste nicht weiter "ins Blaue hinein" nach möglichen Fahrern des Fahrzeugs suchen - auch nicht in der Nachbarschaft des Klägers, wie dieser meinte. Denn der Kläger hatte die ihm mögliche und zumutbare Mitwirkung erkennbar verweigert. Schließlich habe er durch die Anhörung im Bußgeldverfahren die Obliegenheit, zur Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes generell so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar sei. Insbesondere habe er den bekannten oder auf einem vorgelegten Lichtbild zu erkennenden Fahrer zu benennen oder zumindest den möglichen Täterkreis einzugrenzen und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten des Fahrzeugs zu fördern. Lehne der Fahrzeughalter erkennbar - wie hier - die Mitwirkung an der Ermittlung ab und liegen der Bußgeldbehörde sonst keine konkreten Ermittlungsansätze vor, sei es ihr regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Sie kann das Bußgeldverfahren dann einstellen und eine Fahrtenbuchauflage anordnen.

Hinweis: Ein Kfz-Halter kann verpflichtet werden, ein Fahrtenbuch zu führen, wenn er bei der Aufklärung von zwei aufeinanderfolgenden erheblichen Verkehrsverstößen nicht mitwirkt. Art und Umfang ihrer Ermittlungstätigkeit darf die Behörde an den Erklärungen des Fahrzeughalters bei der Anhörung im Bußgeldverfahren ausrichten. Die Fahrtenbuchauflage dient in derartigen Fällen dem Schutz der Allgemeinheit. Das Fahrtenbuch soll helfen, bei künftigen Verkehrsverstößen mit dem Fahrzeug den Täter feststellen zu können. Die Dauer einer Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs bemisst sich nach der Schwere des Verkehrsverstoßes.


Quelle: VG Gelsenkirchen, Urt. v. 10.07.2025 - 14 K 6335/24
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2025)

Eigentumsänderungen: Frist für Vorkaufsrecht des Mieters gilt auch bei Teileigentum

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich mit der Frage beschäftigen, ob ein Mieter ein Vorkaufsrecht hat, wenn an seiner Wohnung Teileigentum (Eigentum an einzelnen, nicht zu Wohnzwecken genutzten Räumen wie Laden- oder Büroflächen) statt Wohnungseigentum begründet wird. Dabei ging es auch um die Frist, in der ein Mieter dieses Recht ausüben muss.

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich mit der Frage beschäftigen, ob ein Mieter ein Vorkaufsrecht hat, wenn an seiner Wohnung Teileigentum (Eigentum an einzelnen, nicht zu Wohnzwecken genutzten Räumen wie Laden- oder Büroflächen) statt Wohnungseigentum begründet wird. Dabei ging es auch um die Frist, in der ein Mieter dieses Recht ausüben muss.

Ein Mann war seit 2006 Mieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Nach dem Tod  der Grundstückseigentümerin und Vermieterin hatte der Beklagte als Testamentsvollstrecker 2017 Teileigentum an der Wohnung begründet und die Wohnung verkauft. Die Käuferin informierte den Mieter 2018 über den Verkauf und dessen Vorkaufsrecht. Er müsse dieses Recht innerhalb von zwei Monaten ausüben. Doch der Mieter meldete sich erst im August 2019, dass er die Wohnung kaufen wolle. Die Käuferin hatte die Wohnung jedoch zwischenzeitlich zu einem höheren Preis weiterverkauft. Der Mieter verlangte daraufhin Schadensersatz, weil er das Vorkaufsrecht durch die Begründung von Teileigentum nicht rechtzeitig ausüben konnte und dadurch Geld verloren habe.

Alle Gerichte lehnten den Anspruch ab. Der BGH erklärte, dass das Vorkaufsrecht des Mieters auch bei Teileigentum gilt, ähnlich wie bei Wohnungseigentum. Allerdings sei die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts eine Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann. Da der Mieter die Frist von zwei Monaten verpasst hatte, war sein Vorkaufsrecht erloschen. Ein Schreiben des Verkäufers, das andeutete, der Mieter könne sich noch entscheiden, änderte daran nichts. Die Frist für das Vorkaufsrecht kann nicht durch eine derartige Vereinbarung verlängert werden.

Hinweis: Das Urteil zeigt, dass Mieter ihr Vorkaufsrecht bei Eigentumsänderungen genau im Blick behalten müssen. Die Frist zur Ausübung ist streng und kann nicht verlängert werden. Auch bei Teileigentum gilt das Vorkaufsrecht, ähnlich wie beim Wohnungseigentum.


Quelle: BGH, Urt. v. 21.05.2025 - VIII ZR 201/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 09/2025)

Berufsständisches Zuwendungsverbot: Berufsordnung macht Vermächtnis zugunsten des behandelnden Arztes nicht automatisch ungültig

Laut Berufsordnung ist es Ärzten verboten, von Patienten Geschenke oder Vorteile anzunehmen, wenn dadurch der Eindruck entsteht, dass die ärztliche Entscheidung beeinflusst wird. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich in letzter Instanz mit der Frage beschäftigen, ob es sich bei dieser ärztlichen Berufsregel um ein sogenanntes Verbotsgesetz handelt, das ein Vermächtnis eines Patienten zugunsten eines Arztes unwirksam macht.

Laut Berufsordnung ist es Ärzten verboten, von Patienten Geschenke oder Vorteile anzunehmen, wenn dadurch der Eindruck entsteht, dass die ärztliche Entscheidung beeinflusst wird. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich in letzter Instanz mit der Frage beschäftigen, ob es sich bei dieser ärztlichen Berufsregel um ein sogenanntes Verbotsgesetz handelt, das ein Vermächtnis eines Patienten zugunsten eines Arztes unwirksam macht.

Der Erblasser war mehrere Jahre Patient eines Hausarztes. Zwei Jahre vor seinem Tod schloss der Erblasser mit seinem Hausarzt sowie mit der ihn pflegenden Beklagten und deren Tochter vor einem Notar einen Vertrag, in dem sich der Arzt verpflichtete, sich über das normale Maß hinaus um den Erblasser zu kümmern. Dafür sollte er auch insbesondere am Wochenende erreichbar sein, Hausbesuche machen und dem Erblasser bei Behördenangelegenheiten helfen. Als Gegenleistung bestimmte der Erblasser, dass der Hausarzt nach seinem Tod ein Grundstück erben solle. In einem nachfolgenden Testament setzte der Erblasser dann seine Pflegerin als Alleinerbin ein - unter Ausschluss des Grundstücks, das der Hausarzt erhalten sollte. Nach dem Tod des Erblassers geriet der Arzt in die Insolvenz und der Insolvenzverwalter verlangte die Herausgabe des Grundstücks, das die Alleinerbin mit der Begründung verweigerte, das Vermächtnis sei unwirksam, weil der Arzt gegen das Berufsrecht verstoßen habe. Das Landgericht und das Oberlandesgericht (OLG) gaben der Erbin zunächst recht und entschieden, dass das Vermächtnis unwirksam sei.

Der BGH hob diese Entscheidung auf. Nach Ansicht des Gerichts sei das Vermächtnis nicht automatisch unwirksam, nur weil es gegen die ärztliche Berufsordnung verstoße. Insoweit sei die Berufsordnung kein Verbotsgesetz im Sinne des Gesetzes. Die Regelung richte sich nur an Ärzte, nicht hingegen an die Patienten. Diese dürfen grundsätzlich selbst entscheiden, wem sie was vererben möchten. Die gesetzliche Regelung der Berufsordnung schütze daher nur das Vertrauen in die Unabhängigkeit von Ärzten - nicht aber das Erbrecht der Angehörigen. Der BGH hat den Fall zur erneuten Entscheidung an das OLG zurückverwiesen, damit es prüfen kann, ob eventuell andere Gründe für die Unwirksamkeit des Vermächtnisses sprechen könnten.

Hinweis: Verstöße gegen standesrechtliche Maßnahmen können durch die jeweiligen Kammern geahndet werden - beispielsweise mit Rügen oder Geldbußen.


Quelle: BGH, Urt. v. 02.07.2025 - IV ZR 93/24
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2025)

Grundschuld potentieller Erben: Was mit der Eintragung nicht gezeugter Kinder im Grundbuch passiert

Ob auch noch nicht gezeugte Kinder Rechte an Grundstücken erhalten können, ist unter Juristen bereits lange umstritten. Mit eben dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigen, und seine höchstgerichtliche Entscheidung wird sicherlich Auswirkungen auf die Gestaltung von erbrechtlichen Verfügungen haben.

Ob auch noch nicht gezeugte Kinder Rechte an Grundstücken erhalten können, ist unter Juristen bereits lange umstritten. Mit eben dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigen, und seine höchstgerichtliche Entscheidung wird sicherlich Auswirkungen auf die Gestaltung von erbrechtlichen Verfügungen haben.

Die Antragstellerin des Verfahrens war von ihrer Mutter, die im Jahr 2003 verstorben ist, als Vorerbin eines Grundstücks eingesetzt worden. Laut testamentarischer Verfügung sollten die Kinder der Antragstellerin Nacherben sein. Für den Fall, dass keine Kinder vorhanden sind, sollten die Geschwister Nacherben werden. Im Jahr 2006 ließ die Antragstellerin eine Grundschuld auf dem Grundstück über einen Betrag von 187.000 EUR zugunsten dieser Nacherben eintragen. Die Eintragung erfolgte als Sicherheit für einen vorhergehenden Verkauf eines anderen Grundstücks aus dem Nachlass. Die mittlerweile 60-jährige Antragstellerin beantragte dann schließlich, diese Grundschuld zu löschen, und versicherte an Eides statt, dass sie keine Kinder habe - weder leiblich noch adoptiert. Auch die Geschwister der Antragstellerin stimmten der Löschung zu. Das Grundbuchamt forderte von der Antragstellerin hingegen eine Löschungsbewilligung von einem Ergänzungspfleger, der die Interessen möglicher noch nicht bekannter Nacherben vertreten solle. Da diese Löschungsbewilligung nicht vorgelegt wurde, lehnten sowohl das Amtsgericht als auch das Oberlandesgericht die Löschung ab.

Der BGH entschied, dass es zunächst rechtlich zulässig sei, dass ein sogenanntes Grundpfandrecht wie eine Grundschuld auch für noch nicht geborene oder sogar noch nicht gezeugte Personen im Grundbuch eingetragen werden kann. Auch noch ungeborene Personen können ein rechtlich geschütztes Anrecht für die Zukunft erwerben. Aus diesem Grund war die Eintragung im Grundbuch zunächst zulässig, und es lag kein Fall einer automatischen Löschung einer unrichtigen Eintragung vor. Darüber hinaus darf das Grundbuch laut BGH nur berichtigt werden, wenn alle Berechtigten zustimmen. Die Antragstellerin trägt die Beweislast dafür, dass sie entweder keine Kinder mehr bekommen kann oder eine Adoption nicht mehr möglich ist. Da die Antragstellerin einen solchen Beweis aber nicht erbringen konnte, hätte es der Bestellung eines gerichtlichen Ergänzungspflegers bedurft.

Hinweis: Der BGH stellte im Übrigen auch klar, dass mit der Eintragung der Begrifflichkeit "Kinder" im Grundbuch auch adoptierte Kinder gemeint sein können. Hierauf ist bei der Gestaltung einer letztwilligen Verfügung zu achten.


Quelle: BGH, Beschl. v. 26.06.2025 - V ZB 48/24
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2025)

Zu spät am Gate: Fluggesellschaft muss Reisende mitnehmen, wenn das Boarding noch im vollen Gange ist

Bis wann Fluggäste am Gate boarden müssen - also schlichtweg in den Flieger steigen müssen -, um ihre Mitnahme noch sicherzustellen, war die Frage, die vor dem Landgericht Frankfurt am Main (LG) landete. Des Pudels Kern dabei war, wie spät "zu spät" ist und welche Zeichen dafür sprechen, doch noch Glück haben zu können.

Bis wann Fluggäste am Gate boarden müssen - also schlichtweg in den Flieger steigen müssen -, um ihre Mitnahme noch sicherzustellen, war die Frage, die vor dem Landgericht Frankfurt am Main (LG) landete. Des Pudels Kern dabei war, wie spät "zu spät" ist und welche Zeichen dafür sprechen, doch noch Glück haben zu können.

Eine Gruppe von fünf Personen kann sich je nach Urlaubslaune schnell verhalten wie eine Tüte Mücken. Dennoch hatten die Fünf es nicht nur geschafft, einen Flug von Frankfurt am Main nach Doha zu buchen, sondern kamen auch rechtzeitig zum Check-in-Schalter und erhielten dort ihre Bordkarten. Auf diesen stand, dass das Gate 20 Minuten vor Abflug schließen würde. Bei einem Flug, der wie hier um 17:35 Uhr starten sollte, ergab das folglich, dass das Gate um 17:15 Uhr geschlossen werden würde. Genau das setzten die Flughafenmitarbeiter entsprechend um. Erst kurz darauf traf die fünfköpfige Gruppe dort ein und staunte nicht schlecht: Das Flugzeug stand noch am Flugsteig, die Türen waren noch geöffnet und andere Passagiere warteten noch vor dem Einstieg - dennoch verweigerte die Fluggesellschaft ihr den Zutritt zum Flugzeug. Auf lange Gesichter folgte schließlich die Klage: Die Fünf verlangten jeweils 600 EUR Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung.

Das Amtsgericht lehnte das noch ab, doch das LG gab den Fünfen nun Recht. Die Airline hätte die Gruppe noch an Bord lassen müssen. Zwar müssen Reisende grundsätzlich rechtzeitig am Flugsteig sein - wenn das Boarding aber noch nicht abgeschlossen ist, die Türen noch offen stehen und der Vorfeldbus noch nicht abgefahren ist, entsteht keine Verzögerung für den Flug. In diesem Fall war der Einstieg noch in vollem Gange. Daher hätte die Gruppe noch mitfliegen dürfen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Hinweis: Wer am Gate nur wenige Minuten zu spät erscheint, während der Flieger noch offen ist, darf nicht einfach stehengelassen werden. Fluggesellschaften dürfen das Boarding nicht früher als angekündigt schließen. Es kommt auf den tatsächlichen Ablauf an - nicht nur auf die Uhrzeit.


Quelle: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 05.06.2025 - 2-24 S 93/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 09/2025)