Neuigkeiten - Recht

Basis für Mietpreisbremse: Vermieter muss nicht überprüfen, ob Vormiete rechtlich zulässig war

Die sogenannte Mietpreisbremse in Ballungszentren führt immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Klar ist, dass bei neuem Vertragsabschluss die Vormiete als Basis für die Festlegung der aktuellen Miete dienen soll. Was hier jedoch unklar war: Muss der Vermieter darüber aufklären, ob und dass diese Vormiete als Bemessungsgrundlage bereits zu hoch angesetzt war? Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte hierüber das letzte Wort.

Die sogenannte Mietpreisbremse in Ballungszentren führt immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Klar ist, dass bei neuem Vertragsabschluss die Vormiete als Basis für die Festlegung der aktuellen Miete dienen soll. Was hier jedoch unklar war: Muss der Vermieter darüber aufklären, ob und dass diese Vormiete als Bemessungsgrundlage bereits zu hoch angesetzt war? Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte hierüber das letzte Wort.

Ein Inkassodienstleister ließ sich von einem Mieter Ansprüche wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe gegen den Vermieter abtreten und verlangte dafür die vermieterseitige Auskunft über die Vormiete. Als sich diese als viel zu hoch erwies (16,66 EUR/m2 statt der ortsüblichen Vergleichsmiete von 7,33 EUR/m2), meinte das Inkassounternehmen, dass der Vermieter seiner Auskunftsverpflichtung nicht nachgekommen sei, da die seinerseits mitgeteilte Vormiete nicht der mieterseitig rechtlich geschuldeten Miete entsprochen habe.

Der BGH meinte dazu, dass es den inhaltlichen Anforderungen der vorvertraglichen Auskunftspflicht genüge, wenn der Vermieter dem Mieter die Höhe der vertraglich vereinbarten Vormiete mitteilt. Keine Verpflichtung treffe ihn über die Angabe der vertraglich vereinbarten Vormiete hinaus, diese auch auf ihre Zulässigkeit nach den gesetzlichen Regelungen zu überprüfen und nur die demnach zulässige Miete mitzuteilen. Der Anspruch auf Mietrückzahlung war hier daher zwar gegeben, fiel aber entsprechend geringer aus als gedacht.

Hinweis: In diesem Fall hatten die Mieter ihren Anspruch an ein Inkassounternehmen abgetreten. Das hat dann versucht, die Ansprüche durchzusetzen. Für Mieter eine verlockende Angelegenheit, da sie häufig nicht mit Kosten belastet werden.
 
 


Quelle: BGH, Urt. v. 29.11.2023 - VIII ZR 75/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 04/2024)

Vergebliche Wohnungssuche: LG Berlin ordnet befristete Fortsetzung eines Mietverhältnisses an

Fälle wie den folgenden werden wir den nächsten Jahren sicherlich häufiger erleben. Denn der insbesondere seitens der Politik seit Jahren verschuldete Wohnungsmangel führt dazu, dass Vermieter Räumungsprozesse zwar gewinnen, Mieter aber dennoch in den Räumen bleiben dürfen. Das Gericht im folgenden Fall urteilt regelmäßig in einem der am stärksten umkämpften Ballungsgebiete - das Landgericht in Berlin (LG).

Fälle wie den folgenden werden wir den nächsten Jahren sicherlich häufiger erleben. Denn der insbesondere seitens der Politik seit Jahren verschuldete Wohnungsmangel führt dazu, dass Vermieter Räumungsprozesse zwar gewinnen, Mieter aber dennoch in den Räumen bleiben dürfen. Das Gericht im folgenden Fall urteilt regelmäßig in einem der am stärksten umkämpften Ballungsgebiete - das Landgericht in Berlin (LG).

Eine Vermieterin meldete an einer Mietwohnung Eigenbedarf an und kündigte das Mietverhältnis. Die Mieter suchten in der Folgezeit nach einer anderen Wohnung - erfolglos. Schließlich erhob die Vermieterin eine Räumungsklage - erfolgreich. Und nun?

Das LG war der Auffassung, dass der Eigenbedarfsgrund das Mietverhältnis zwar grundsätzlich beendet habe. Trotzdem ordnete es die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Dauer von zwei Jahren an. Zudem änderte es die bisherigen Vertragsbedingungen von Amts wegen und hob die von den Mietern bisher geschuldete Nettokaltmiete auf ein marktübliches Niveau an. Die Richter stellten darauf ab, dass sich die Mieter nach Ausspruch der Eigenbedarfskündigung über einen Zeitraum von fast zwei Jahren auf eine Vielzahl von Wohnungen im gesamten Berliner Stadtgebiet beworben hatten, jedoch aufgrund der angespannten Lage auf dem dortigen Wohnungsmarkt sowie des nur noch geringen Angebots freier Wohnungen mit ihren Bewerbungen keinen Erfolg hatten.

Hinweis: Das Mietverhältnis bleibt trotz der Anordnung auf Fortsetzung nicht ewig bestehen. Vermieter müssen ihrerseits nur aufpassen, dass es sich nicht faktisch durch ein längeres Verbleiben in der Wohnung fortsetzt, als von der Behörde angeordnet.


Quelle: LG Berlin, Urt. v. 25.01.2024 - 67 S 264/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 04/2024)

Installationspflicht unumgänglich: Bayerischer VGH erklärt Rauchwarnmelder für verfassungsgemäß

Es gibt sicherlich eine Reihe von Regelungen, die unnütz sind. Die Vorschriften zum Einbau von Rauchwarnmeldern in Wohnungen gehören sicherlich nicht dazu, denn deren Nutzen sollte eigentlich jedem einleuchten. Da sich zwischen "eigentlich" und "tatsächlich" jedoch des Öfteren einige Lücken auftun, konnte erst der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) diese hier bei einem Eigentümer füllen.

Es gibt sicherlich eine Reihe von Regelungen, die unnütz sind. Die Vorschriften zum Einbau von Rauchwarnmeldern in Wohnungen gehören sicherlich nicht dazu, denn deren Nutzen sollte eigentlich jedem einleuchten. Da sich zwischen "eigentlich" und "tatsächlich" jedoch des Öfteren einige Lücken auftun, konnte erst der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) diese hier bei einem Eigentümer füllen.

Laut Bayerischer Bauordnung muss in Schlafräumen und Kinderzimmern sowie Fluren, die zu Aufenthaltsräumen führen, jeweils mindestens ein Rauchwarnmelder installiert sein. Ein Mann hielt die Vorschrift für verfassungswidrig und berief sich insbesondere auf das Eigentumsrecht, den Gleichheitsgrundsatz und das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung.

Der VGH jedoch hielt die Regelung für durchaus verfassungsgemäß. Erstens war das Eigentumsgrundrecht nicht verletzt. Es werde ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck verfolgt - und dessen Zweckerreichung ist in Form der Installation von Rauchwarnmeldern geeignet, erforderlich und vor allem auch verhältnismäßig.

Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung wird durch die Regelung ebenfalls nicht verletzt. Die Vorschrift begründet lediglich bauordnungsrechtlich eine Verpflichtung zur Installation von Rauchwarnmeldern für den Eigentümer.

Schließlich verstieß die Regelung auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Dass der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Installation dem Eigentümer auferlegt hat, ist sachlich gerechtfertigt. Der Eigentümer ist grundsätzlich für die Verkehrssicherung verantwortlich und zieht zudem Nutzen aus dem Eigentum. Es ist daher sachgerecht, ihm auch die bauordnungsrechtliche Installationspflicht aufzuerlegen.

Hinweis: Vergleichbare Vorschriften wie die in Bayern gibt es mittlerweile in sämtlichen Bundesländern. Überall wird der Eigentümer oder Vermieter zur Installation der Rauchwarnmelder verpflichtet.


Quelle: Bayerischer VGH, Urt. v. 26.10.2023 - Vf. 6-VII-22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 04/2024)

Zwei einmonatige Fahrverbote: Zwei Abstandsverstöße in sechs Wochen sprechen für beharrliche Delinquenz des Betroffenen

Warum der Pkw-Fahrer im folgenden Fall zweimal innerhalb kürzester Zeit denselben Verstoß begangen hat, kann  nur gemutmaßt werden. Fest allerdings steht, dass das Amtsgericht Frankfurt am Main (AG) nicht davon absehen wollte, für den erneuten gleichgelagerten Verstoß innerhalb kürzester Zeit auch zum zweiten Mal ein Fahrverbot zu verhängen. Dass der Mann mit einem Urteil für beide Verstöße billiger weggekommen wäre, blieb hierbei allein seine Vermutung.

Warum der Pkw-Fahrer im folgenden Fall zweimal innerhalb kürzester Zeit denselben Verstoß begangen hat, kann  nur gemutmaßt werden. Fest allerdings steht, dass das Amtsgericht Frankfurt am Main (AG) nicht davon absehen wollte, für den erneuten gleichgelagerten Verstoß innerhalb kürzester Zeit auch zum zweiten Mal ein Fahrverbot zu verhängen. Dass der Mann mit einem Urteil für beide Verstöße billiger weggekommen wäre, blieb hierbei allein seine Vermutung.

Ein Autofahrer hatte den Mindestabstand zum Vorausfahrenden unterschritten, wurde dabei erwischt und kassierte dafür ein Fahrverbot von einem Monat. Der Blitz schlägt nicht zweimal an derselben Stelle ein, dachte sich der Mann vielleicht und befuhr den betreffenden Straßenabschnitt sechs Wochen später erneut mit einem zu geringen Abstand zum nächsten Fahrzeug - laut Feststellungen des AG mit weniger als 3/10 des halben Tachowerts. Nachdem das erste Fahrverbot durch den Betroffenen zum Zeitpunkt der nun durchgeführten Hauptverhandlung bereits vollständig verbüßt war, traf man sich nun vor dem AG wieder, das gegen den Betroffenen wegen der Abstandsunterschreitung ein Bußgeld nebst einem weiteren einmonatigen Fahrverbot verhängt hatte. Das wollte der Betroffene so nicht hinnehmen. Schließlich habe er gerade eine derartige Strafe verbüßt, und er fühlte sich durch die getrennte Ahndung der beiden Verstöße benachteiligt. Wären beide zusammen verhandelt worden, wäre schließlich nur eine Aburteilung erfolgt.

Dass der Betroffene in der Zwischenzeit bis zur Verhandlung bereits ein Fahrverbot wegen einer kurz zuvor an derselben Stelle begangenen Abstandsunterschreitung verbüßt hatte, war in Augen des AG jedoch kein ausreichender Grund, von dem weiteren Fahrverbot abzusehen. Das Fahrverbot solle schließlich als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme für den jeweiligen Verkehrsverstoß auf den Betroffenen spezialpräventiv wirken. Diese Funktion werde unterlaufen, wenn nun von dem Fahrverbot abgesehen werde. Laut Gericht entstand dem Betroffenen auch kein Nachteil - insbesondere, weil hier ein zweimonatiges Fahrverbot tat- und schuldangemessen gewesen wäre.

Hinweis: Der Betroffene wurde durch die getrennte Ahndung der beiden Verkehrsverstöße auch nicht schlechter gestellt, als wären beide Taten in einem Gerichtstermin verhandelt worden. Zwar hätte bei einer gemeinsamen Aburteilung der beiden Verstöße nur ein Fahrverbot festgesetzt werden können. Wegen der besonders beharrlichen Delinquenz des Betroffenen - zwei Abstandsunterschreitungen innerhalb von sechs Wochen - wäre jedoch auch dann ein zweimonatiges Fahrverbot angemessen gewesen.


Quelle: AG Frankfurt am Main, Urt. v. 17.11.2023 - 971 OWi 916 Js 59363/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 04/2024)

OLG reduziert Vergütung: Keine nachträgliche Feststellung einer berufsmäßig ausgeübten Nachlasspflegschaft

Das Nachlassgericht kann zur Sicherung und Verwaltung eines Nachlasses sowie zur Ermittlung von Erben einen Nachlasspfleger bestellen, der für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält. Deren Höhe kann sich erheblich unterscheiden - je nachdem, ob der Nachlasspfleger diese Tätigkeit berufsmäßig ausübt oder eben nicht. Da hier eine solche Prüfung vorab unterblieben ist, musste sich das Oberlandesgericht München (OLG) mit den Folgen der ausgebliebenen Differenzierung befassen.

Das Nachlassgericht kann zur Sicherung und Verwaltung eines Nachlasses sowie zur Ermittlung von Erben einen Nachlasspfleger bestellen, der für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält. Deren Höhe kann sich erheblich unterscheiden - je nachdem, ob der Nachlasspfleger diese Tätigkeit berufsmäßig ausübt oder eben nicht. Da hier eine solche Prüfung vorab unterblieben ist, musste sich das Oberlandesgericht München (OLG) mit den Folgen der ausgebliebenen Differenzierung befassen.

Die Erblasserin verstarb im Jahr 2006, und das Nachlassgericht ernannte einen Nachlasspfleger zum Zweck der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie zur Erbenermittlung. Die Feststellung einer berufsmäßigen Führung der Nachlasspflegschaft wurde nicht vorgenommen. Der Nachlasspfleger beantragte im März 2022 eine Vergütung von 14.979 EUR für seine Tätigkeit, die das Nachlassgericht im April 2023 auch genehmigte. Hiergegen legten die Erben Beschwerde ein. Ihre Begründung: Weder Prüffähigkeit der Abrechnung noch Plausibilität einiger Tätigkeiten könnten nachvollzogen werden. Das Nachlassgericht wies die Beschwerde ab und legte die Akten zur Entscheidung dem OLG vor.

Der Senat hat entschieden, dass die Festsetzung der Vergütung des Nachlasspflegers als berufsmäßiger Nachlasspfleger nicht möglich sei, da eine solche Feststellung im Bestellungsverfahren unterblieben ist. Daher kann die Vergütung nur anhand des Umfangs, der Schwierigkeiten sowie des angefallenen Zeitaufwands bemessen werden. Es wurde festgestellt, dass der Umfang und die Schwierigkeit der Tätigkeiten des Nachlasspflegers eine angemessene Vergütung rechtfertigen; die Höhe der Vergütung wurde auf 4.579 EUR festgelegt, basierend auf den vom Nachlasspfleger vorgelegten Stunden und einem aus Sicht des Gerichts angemessenen Stundensatz.

Hinweis: Als Anhaltspunkte für die Bemessung eines Stundensatzes können die Fälle des § 3 Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz herangezogen werden.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 30.01.2024 - 33 Wx 152/23 e
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 04/2024)

Kein Schaden, kein Geld: Kein Anspruch auf Ausgleichszahlung, wenn trotz Flugverspätung kein Zeitverlust entsteht

Wer einen Schaden erleidet, hat Anspruch auf eine Ausgleichszahlung. Weil es jedoch naturgemäß sehr unterschiedliche Empfindungen geben kann, wann ein Schaden überhaupt auftritt und somit auch ersatzfähig ist, müssen Gerichte entscheiden, ab wann ein infrage stehender Anspruch eintritt. Der Bundesgerichtshof (BGH) wandte sich hier an den Europäischen Gerichtshof (EuGH), der den erlittenen Schaden durch eine Flugverspätung einschätzen musste.

Wer einen Schaden erleidet, hat Anspruch auf eine Ausgleichszahlung. Weil es jedoch naturgemäß sehr unterschiedliche Empfindungen geben kann, wann ein Schaden überhaupt auftritt und somit auch ersatzfähig ist, müssen Gerichte entscheiden, ab wann ein infrage stehender Anspruch eintritt. Der Bundesgerichtshof (BGH) wandte sich hier an den Europäischen Gerichtshof (EuGH), der den erlittenen Schaden durch eine Flugverspätung einschätzen musste.

Zwei Fluggäste hatten einen Flug von Düsseldorf nach Palma de Mallorca gebucht, für den schließlich eine Verspätung von mehr als drei Stunden angekündigt wurde. Daraufhin traten die beiden den Flug mit der gebuchten Maschine erst gar nicht an - der eine blieb gleich zu Hause, der andere buchte auf einen Flug um, der es ihm ermöglichte, mit einer geringeren Verspätung als den drei Stunden am Zielort einzutreffen. Nun wollte der BGH vom europäischen Kollegen wissen, wie sich die Rechtslage in Sachen Ausgleichszahlung verhält. Die Frage: Hatten die beiden überhaupt einen Schaden erlitten, den es zu ersetzen gibt?

Der EuGH sagt: Nein, haben sie nicht. Die Regelung verfolgt den Zweck, Passagiere verspäteter Flüge jenen  Fluggästen gleichzusetzen, deren Flüge komplett ausfallen. Ein mehrstündiger Zeitverlust sei nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH schließlich mit dem Ärgernis eines ausgefallenen Flugs vergleichbar. Wenn sich der Fluggast eines mit großer Verspätung angekommenen Flugs aber erst gar nicht zum Flughafen begibt oder sich gleich um einen Ersatz kümmert, der ihm den Zeitverlust verkürzt, hat er keinen Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung. Denn ein Schaden des Zeitverlusts könne unter diesen Umständen nicht festgestellt werden.

Hinweis: Hat ein Flugzeug eine Verspätung, spricht grundsätzlich viel dafür, dass der Fluggast eine Ausgleichszahlung erhalten kann. Ob und unter welchen Voraussetzungen das der Fall ist, weiß der Rechtsanwalt.


Quelle: EuGH, Urt. v. 25.01.2024 - C-474/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 04/2024)

Rückschnitt einer Hecke: Wer selbst Regeln bricht, kann nach Treu und Glauben von Ansprüchen ausgeschlossen werden

"Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem and’ren zu" - würde dies stets berücksichtigt werden, wäre der juristische Betrieb ein ruhiges Plätzchen. Da wir aber sind, wie wir nun einmal sind, kommt es zu solchen Fällen wie dem vor dem Landgericht Frankenthal (LG). Hier konnte einer nicht lassen, dem anderen etwas vorzuwerfen, das er selbst auch getan hatte. Und dadurch verwirkte er seinen eigentlich durchaus berechtigten Anspruch.

"Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem and’ren zu" - würde dies stets berücksichtigt werden, wäre der juristische Betrieb ein ruhiges Plätzchen. Da wir aber sind, wie wir nun einmal sind, kommt es zu solchen Fällen wie dem vor dem Landgericht Frankenthal (LG). Hier konnte einer nicht lassen, dem anderen etwas vorzuwerfen, das er selbst auch getan hatte. Und dadurch verwirkte er seinen eigentlich durchaus berechtigten Anspruch.

Es ging um einen Streit zwischen zwei Nachbarn. Direkt entlang der Grundstücksgrenze verlief auf dem Grundstück eines Nachbarn eine 2,20 m hohe Hecke. Sein Nachbar verlangte nun unter Berufung auf das geltende Landesrecht, dass die Hecke auf einer Höhe von maximal 1,5 m gehalten werde.

Grundsätzlich bestätigte das LG, dass Hecken entlang der Grenze eines Grundstücks dem geltenden Nachbarrecht entsprechen müssen. Die Pflanzen dürfen eine bestimmte Höhe nicht überschreiten, und deshalb könne der Nachbar den Rückschnitt auch verlangen. Hier stand dem jedoch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Es musste berücksichtigt werden, dass auch auf dem Grundstück des Klägers direkt hinter dem Zaun eine 3 bis 4 m hohe Kugelhecke und eine etwa 2,5 m hohe Zypresse gepflanzt waren. Dadurch werde ebenfalls gegen das Nachbarrecht verstoßen. Und wer sich selbst nicht regelgerecht verhält, ist nach Treu und Glauben von Ansprüchen gegen seinen Nachbarn ausgeschlossen.

Hinweis: Wer im Glashaus sitzt, sollte also nicht mit Steinen werfen. Die Richter des Falls haben das Recht weit ausgelegt. Interessengerecht könnte es in solchen Fällen auch sein, dass beide Nachbarn ihre Gehölze zu stutzen haben.


Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 24.01.2024 - 2 S 85/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 04/2024)

Frage mit Grundsatzbedeutung: BGH könnte Ladenöffnungs- und Feiertagsgesetz für Apotheken zu Fall bringen

Ausgerechnet Medikamente dürfen an Sonn- und Feiertagen nicht bis an die Tür geliefert werden. So bleibt Menschen mit dringendem Bedarf dann auch nur der Gang zu den Notapotheken. Das Oberlandesgericht Köln (OLG) hatte auf Betreiben eines Wettbewerbsvereins die Zusammenarbeit eines Apothekers mit einer Lieferdienst-App zu bewerten. Und das warf die generelle Frage auf, wie mit Apothekenöffnungen an Sonn- und Feiertagen generell zu verfahren ist.

Ausgerechnet Medikamente dürfen an Sonn- und Feiertagen nicht bis an die Tür geliefert werden. So bleibt Menschen mit dringendem Bedarf dann auch nur der Gang zu den Notapotheken. Das Oberlandesgericht Köln (OLG) hatte auf Betreiben eines Wettbewerbsvereins die Zusammenarbeit eines Apothekers mit einer Lieferdienst-App zu bewerten. Und das warf die generelle Frage auf, wie mit Apothekenöffnungen an Sonn- und Feiertagen generell zu verfahren ist.

Ein Apotheker kooperierte mit einem Apothekenlieferservice. Der Lieferservice betrieb eine App, über die Verbraucher Produkte bestellen konnten, die bei der jeweiligen Apotheke abgeholt und noch am Tag der Bestellung ausgeliefert werden. Der Apotheker nutzte diesen Dienst auch an Sonn- und Feiertagen, doch ein Wettbewerbsverein sah darin ein Problem. Er forderte vom Apotheker gerichtlich eine Unterlassung und die Erstattung von Abmahnkosten, weil der Apotheker gegen das Ladenöffnungs- und das Feiertagsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen verstoße. Es gebe schließlich keine Vorschrift, die Apotheken die uneingeschränkte Befugnis verleihe, an Sonn- und Feiertagen ihre Dienstbereitschaft unabhängig von ihrer Notdiensteinteilung zu versehen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben - die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Hier bleibt es also spannend.

Hinweis: Die Richter haben erkannt, dass es zahlreiche andere Meinungen von Juristen zu diesem Problemkreis gibt und sowohl die Apothekenbetriebsordnung als auch die Ladenöffnungsgesetze der einzelnen Bundesländer hierzu keine abschließende Regelung für Apothekenöffnungen an Sonn- und Feiertage beinhalten.


Quelle: OLG Köln, Urt. v. 12.01.2024 - 6 U 65/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 04/2024)

Anscheinsbeweis für Ursächlichkeit: Vermeidbarkeit im nüchternen Zustand spricht gegen alkoholisierten Unfallverursacher

In diesem Fall haben sich beide Verkehrsteilnehmer nicht korrekt verhalten. Nachdem die erste Instanz daher urteilte, dass beide Parteien für die Folgen hälftig zu haften haben, musste sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) erneut mit der Sache befassen und bewerten, ob es sich hierbei um eine Verkehrslage gehandelt haben könnte, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können.

In diesem Fall haben sich beide Verkehrsteilnehmer nicht korrekt verhalten. Nachdem die erste Instanz daher urteilte, dass beide Parteien für die Folgen hälftig zu haften haben, musste sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) erneut mit der Sache befassen und bewerten, ob es sich hierbei um eine Verkehrslage gehandelt haben könnte, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können.

Die Klägerin nimmt den Beklagten unter anderem auf Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Der Beklagte fuhr innerorts mit seinem Fahrzeug alkoholisiert mit 0,96 ‰. Die Klägerin überquerte mit weiteren vier Personen die vom Beklagten befahrene Straße. Noch bevor die Klägerin eine Verkehrsinsel erreichte, wurde sie vom Fahrzeug des Beklagten erfasst, in die Höhe geschleudert und erlitt diverse schwere Verletzungen. Erstinstanzlich wurde eine Haftungsquote von 50/50 festgelegt.

Die Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG teilweise Erfolg: Der Senat entschied auf eine Haftungsquote von 75/25 zugunsten der Klägerin. Der Beklagte habe gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot verstoßen und nicht gebremst, obwohl das Betreten der Fahrbahn durch die Klägerin dies erforderte. Der erheblich alkoholisierte Beklagte habe nicht auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der Klägerin vertrauen dürfen, da die Klägerin für ihn ersichtlich entgegen ihrer Verpflichtung, den Fahrzeugverkehr zu beachten, die Straße überquerte. Der Beklagte habe zudem die entscheidende Ursache für den Unfall gesetzt. Es sei davon auszugehen, dass ihm der Verkehrsverstoß unterlaufen sei, da er alkoholisiert gewesen sei. Insoweit spreche ein Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit in der Trunkenheit, wenn der Unfall sich in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können. Angesichts der freien Sicht für den Beklagten bestand somit hier kein Zweifel, dass "ein nüchterner Fahrer die Gruppe um die Klägerin wahrgenommen und rechtzeitig gebremst hätte". Dennoch musste sich die Klägerin ein Mitverschulden in Höhe von 25 % anrechnen lassen, da der Beklagte für sie erkennbar gewesen sei, als sie die Fahrbahn betreten habe.

Hinweis: Das Führen eines Kraftfahrzeugs in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand ist als grober Verstoß gegen die Grundsätze der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt anzusehen. Bei der Haftungsabwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge nach § 17 Straßenverkehrsgesetz bleibt die alkoholische Beeinflussung eines Unfallbeteiligten nur dann außer Betracht, wenn feststeht, dass sie sich nicht unfallursächlich ausgewirkt hat.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 25.01.2024 - 26 U 11/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 04/2024)

Kündigung Schwerbehinderter: Ohne notwendige Zustimmung des Integrationsamts verlängert sich Klagefrist

Die Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer ist immer wieder Anlass für gerichtliche Auseinandersetzungen. Dass in der Regel vor einer derartigen Kündigungskonstellation die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen ist, war dem Arbeitgeber im Fall des Arbeitsgerichts Iserlohn (ArbG) womöglich bekannt. Dass ein diesbezügliches Versäumnis sich aber auf den Fristablauf einer Kündigungsschutzklage auswirkt, mutmaßlich eher nicht.

Die Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer ist immer wieder Anlass für gerichtliche Auseinandersetzungen. Dass in der Regel vor einer derartigen Kündigungskonstellation die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen ist, war dem Arbeitgeber im Fall des Arbeitsgerichts Iserlohn (ArbG) womöglich bekannt. Dass ein diesbezügliches Versäumnis sich aber auf den Fristablauf einer Kündigungsschutzklage auswirkt, mutmaßlich eher nicht.

Der Arbeitgeber hatte einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gekündigt. Der Beschäftigte hatte sich daraufhin mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung gewehrt. Diese wollte der Arbeitgeber jedoch nicht gelten lassen und vertrat den Standpunkt, dass sie verspätet eingereicht worden sei. Der Arbeitgeber hatte allerdings nicht die notwendige Zustimmung des Integrationsamts eingeholt. Diese wäre jedoch nach § 168 Sozialgesetzbuch IX erforderlich gewesen. Der Arbeitnehmer argumentierte, dass deshalb nicht nur die Kündigung unwirksam sei, sondern auch die Frist für die Kündigungsschutzklage nicht begonnen habe. Deshalb sei die Kündigungsschutzklage noch rechtzeitig erhoben worden.

Das ArbG entschied, dass der Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage nicht nur rechtzeitig eingereicht habe, sondern damit auch noch erfolgreich war: Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam. Die dreiwöchige Klagefrist beginnt nämlich erst mit Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung an den Arbeitnehmer (§ 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)). Diese Bekanntgabe gab es jedoch nicht, da es den Antrag auf Zustimmung schon gar nicht gab. Und genau deshalb sei die Klagefrist logischerweise auch nicht verstrichen. Das ArbG wies im Zusammenhang mit der Entscheidung aber auch darauf hin, dass sich Beschäftigte nicht unbegrenzt Zeit lassen dürfen. Schließlich verwirke das Klagerecht irgendwann. Nach § 5 KSchG können Gekündigte zwar die Zulassung einer verspäteten Klage beantragen, wenn sie zum Beispiel wegen Krankheit an einer rechtzeitigen Klage gehindert waren. Ein solcher Antrag sei allerdings nur innerhalb von sechs Monaten ab Ablauf der Dreiwochenfrist möglich. Und eben diese Sechsmonatsfrist gelte ebenso für die Verwirkung.

Hinweis: Ohne Zustimmung des Integrationsamts darf ein Arbeitgeber nur kündigen, wenn das Beschäftigungsverhältnis noch keine sechs Monate existiert oder der schwerbehinderte Arbeitnehmer das 58. Lebensjahr vollendet und Anspruch auf eine Sozialplanabfindung hat.


Quelle: ArbG Iserlohn, Urt. v. 24.10.2023 - 4 Ca 675/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 04/2024)