Neuigkeiten - Recht

Zu spätes "Last Minute": Schließt Check-in kurz nach Flugbuchung, muss Fluggesellschaft Ticketpreis erstatten

Dem Kompendium der Fluggastrechte kann hiermit ein durchaus interessanter Fall hinzugefügt werden. Das Amtsgericht Düsseldorf (AG) hatte dabei zu entscheiden, welche Rechte einem (im wahrsten Wortsinne) Last-Minute-Bucher zustehen, wenn diesem nach erfolgreicher Buchung ein ordnungsgemäßer Check-in zeitlich gar nicht mehr eingeräumt werden konnte.

Dem Kompendium der Fluggastrechte kann hiermit ein durchaus interessanter Fall hinzugefügt werden. Das Amtsgericht Düsseldorf (AG) hatte dabei zu entscheiden, welche Rechte einem (im wahrsten Wortsinne) Last-Minute-Bucher zustehen, wenn diesem nach erfolgreicher Buchung ein ordnungsgemäßer Check-in zeitlich gar nicht mehr eingeräumt werden konnte.

Ein Mann kaufte während seines Flughafenaufenthalts um 12:06 Uhr über sein Smartphone ein Onlineticket für einen Flug am selben Tag um 13:10 Uhr nach Stockholm für 500 EUR. Die Buchungsbestätigung erhielt er per E-Mail um 12:09 Uhr. Ein Online-Check-in über die App gelang dem Mann aber nicht mehr, weil der Check-in planmäßig um 12:10 Uhr schloss. Der Mann konnte den gebuchten Flug daher nicht antreten und klagte nun die Rückzahlung der 500 EUR ein.

Vom AG erhielt er das Geld zugesprochen, allerdings ist noch eine Berufung gegen das Urteil möglich. Die Fluggesellschaft trifft die Nebenpflicht, den Fluggast vor Vertragsabschluss darüber aufzuklären, wie viel Zeit noch bis zum Check-in bestünde. Eine Information innerhalb von Allgemeinen Geschäftsbedingungen genüge hierbei nicht, da bei einer kurzfristigen eiligen Buchung nicht erwartet werden kann, dass sich der Fluggast die Informationen dort heraussucht. Da dieser notwendige Hinweis nicht erfolgt war, muss der Reisepreis erstattet werden.

Hinweis: Der Fluggast kann von einem Luftfahrtunternehmen erwarten, dass ein Verkauf von Flugscheinen nur so lange erfolgt, wie es dem Fluggast möglich ist, das Einchecken bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge noch durchführen zu können.


Quelle: AG Düsseldorf, Urt. v. 17.06.2024 - 37 C 294/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 09/2024)

Schutzwürdiges Interesse: Kfz-Haftpflichtversicherung muss Detektivbericht offenlegen

Lässt eine Versicherung den Anspruchssteller durch ein Detektivbüro observieren, kann dem Betroffenen ein Auskunftsrecht über die gesammelten personenbezogenen Daten zustehen. Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) jüngst festgestellt, nachdem das zuvor damit befasste Landgericht (LG) noch anderer Auffassung war.

Lässt eine Versicherung den Anspruchssteller durch ein Detektivbüro observieren, kann dem Betroffenen ein Auskunftsrecht über die gesammelten personenbezogenen Daten zustehen. Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) jüngst festgestellt, nachdem das zuvor damit befasste Landgericht (LG) noch anderer Auffassung war.

In dem hier entschiedenen Fall war dem Detektiveinsatz ein Verkehrsunfall vorausgegangen, bei dem der Kläger verletzt worden war. Wegen seiner Verletzungen machte dieser Ansprüche bei der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers geltend. Die Versicherung hatte jedoch den Verdacht, dass die unfallbedingten Einschränkungen des Klägers tatsächlich geringer waren als angegeben. Sie ging folglich davon aus, dass der Kläger unberechtigte Ansprüche geltend mache. Die daraufhin von der Versicherung beauftragte Detektei observierte den Kläger über mehrere Wochen und fasste ihre Erkenntnisse über die gesundheitlichen Alltagseinschränkungen des Klägers für die Versicherung in einem Ermittlungsbericht zusammen. Der Kläger erhob gegen den Haftpflichtversicherer nun Klage, die unter anderem auf Auskunft zu den von der Detektei gesammelten und folglich von der Versicherung verarbeiteten personenbezogenen Daten sowie auf Herausgabe einer Kopie der Informationen gerichtet war. Die Versicherung hatte die Auskunft lediglich teilweise erteilt und sich im Übrigen auf ein datenschutzrechtliches Geheimhaltungsinteresse berufen.

Das mit der Klage befasste LG erkannte der Versicherung ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse zu und wies die Klage ab. Die vom Kläger eingelegte Berufung hatte jedoch Erfolg: Das OLG hat die Versicherung zur Auskunft über die personenbezogenen Daten des Klägers und zur Herausgabe einer Kopie des Observationsberichts der Detektei verurteilt. Der Senat hat festgestellt, dass dem Kläger ein Auskunftsanspruch zusteht, da vom Kläger personenbezogene Daten gesammelt und verarbeitet worden seien. Betroffenen stünde in solchen Fällen ein generell schutzwürdiges Interesse an der Auskunft zu. Bei den personenbezogenen Daten des Klägers handele es sich nicht um Geschäftsgeheimnisse. Auch sonst bestehe kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse, da die Versicherung die Erkenntnisse aus den Ermittlungsberichten bei späteren Rechtsstreitigkeiten ohnehin offenlegen und dem Kläger eine Reaktion hierauf ermöglichen müsse. Auch dass der Kläger die Informationen später in einem Rechtsstreit gegen die Versicherung verwenden würde, sei nicht zwingend. Es sei nach dem Senat ebenso denkbar, dass sich der Kläger nach Offenlegung des Ermittlungsergebnisses - je nach Inhalt der Berichte - sogar dazu entscheide, von einer Inanspruchnahme der Versicherung abzusehen.

Hinweis: Ein Auskunftsanspruch ergibt sich aus Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung. Das Auskunftsrecht verfolgt den Zweck, sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Grundsätzlich könne der Auskunftsanspruch zwar durch Rechte anderer Personen eingeschränkt sein - ein solches Gegenrecht konnte die Versicherung in diesem Fall aber nicht darlegen.


Quelle: OLG Oldenburg, Urt. v. 09.04.2024 - 13 U 48/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2024)

Gesetzlich Verpflichtete: Zur Übernahme von Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger

Im Sozialhilferecht ist die Übernahme von angemessenen Bestattungskosten für solche Fälle geregelt, in denen die eigentlich Verpflichteten nicht dazu in der Lage sind, die Kosten zu tragen. Die Frage, wer Verpflichteter im Sinne dieser gesetzlichen Regelung ist, war Gegenstand einer Entscheidung des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern (LSG).

Im Sozialhilferecht ist die Übernahme von angemessenen Bestattungskosten für solche Fälle geregelt, in denen die eigentlich Verpflichteten nicht dazu in der Lage sind, die Kosten zu tragen. Die Frage, wer Verpflichteter im Sinne dieser gesetzlichen Regelung ist, war Gegenstand einer Entscheidung des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern (LSG).

Nach dem Tod des Erblassers schlug die Tochter die Erbschaft nach ihrem Vater aus, zu dem sie seit Jahren keinerlei Kontakt mehr hatte. Die Kommune forderte von der Tochter dennoch die Übernahme von Bestattungskosten, woraufhin die Tochter beim zuständigen Amt einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten stellte. Diesen Antrag lehnte die Kommune ab und verwies die Tochter darauf, dass noch weitere Erben vorhanden seien und sie Erstattungsansprüche folglich auch diesen gegenüber geltend machen könne.

Das Sozialgericht war zunächst noch der Ansicht, dass der Antrag der Tochter vom Sozialträger zu Recht abgewiesen worden sei, jedoch hob das LSG die Entscheidung auf. Dabei ging es vornehmlich um die Frage, ob die Tochter Verpflichtete im Sinne des Gesetzes war und ihr die Bestattungskosten nicht zugemutet werden konnten.

Zwar war die Tochter zur Besorgung der Bestattung vorrangig verpflichtet. Der Umstand, dass es möglicherweise vorrangige oder nachrangige verpflichtete Personen gibt, stehe dem Begriff des Verpflichteten im sozialrechtlichen Sinne also nicht entgegen. Sinn der Regelung sei es, eine würdige Bestattung des Verstorbenen zu gewährleisten. Dieser Zweck könne aber nicht erreicht werden, wenn Hinterbliebene bei der Beauftragung der Beerdigung nicht sicher abschätzen können, ob sie den sozialhilferechtlichen Anspruch geltend machen können. Wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung also nicht sicher abgeschätzt werden kann, ob noch andere Personen als Verpflichtete in Betracht kommen, steht dies einem Antrag auf Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger nicht entgegen.

Hinweis: Für die Frage der Zumutbarkeit kommt es neben den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten auch auf die Nähe und die Beziehung zum Verstorbenen an.


Quelle: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 02.05.2024 - L 9 SO 18/19
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2024)

Erntezeit = Traktorzeit: Missachtung der doppelten Rückschaupflicht bedingt Mithaftung nach unzulässigem Überholen

Ein Linksabbieger muss sich vor dem Einordnen sowie vor dem Abbiegen vergewissern, dass das Abbiegen gefahrlos möglich ist. Das besagt die doppelte Rückschaupflicht, die besonders auch Traktorfahrer betrifft, die sich während der Erntezeit vermehrt auf öffentlichen Straßen bewegen. Wird diese Pflicht verletzt, kommt es nach schadensreichen Kollisionen zu Terminen wie kürzlich vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG).

Ein Linksabbieger muss sich vor dem Einordnen sowie vor dem Abbiegen vergewissern, dass das Abbiegen gefahrlos möglich ist. Das besagt die doppelte Rückschaupflicht, die besonders auch Traktorfahrer betrifft, die sich während der Erntezeit vermehrt auf öffentlichen Straßen bewegen. Wird diese Pflicht verletzt, kommt es nach schadensreichen Kollisionen zu Terminen wie kürzlich vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG).

Zwischen einem nach links auf einen Feldweg abbiegenden Traktor und einem überholenden Pkw kam es außerorts zu einer Kollision. Der Kläger hatte zuvor beabsichtigt, mit seinem Traktor, der bauartbedingt 40 km/h fahren kann, nach links in einen Feldweg einzubiegen. Zu diesem Zweck hatte er auch den Blinker links gesetzt. Von hinten nahte der Beklagte mit seinem Pkw. Auf der Strecke besteht ein Überholverbot mit Ausnahme von Kfz und Zügen, die nicht schneller als 25 km/h fahren können oder dürfen. Dennoch setzte der Autofahrer zum Überholvorgang an und kollidierte mit dem linksabbiegenden Traktor, der dabei erheblich beschädigt wurde. Das LG sah die Verantwortlichkeit für den Unfall allein beim überholenden Pkw-Fahrer. Genau hiergegen wendete sich eben dieser.

Auf die Berufung hin hat das OLG die Haftungsquote geändert. Der Traktorfahrer haftet demnach für die Unfallfolgen zu 25 %, der Pkw-Fahrer zu 75 %. Die Verpflichtung der Beteiligten zum Ersatz der Unfallschäden hänge insbesondere davon ab, inwieweit diese von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden seien. Im konkreten Fall stehe fest, dass der Traktorfahrer gegen die ihn treffende doppelte Rückschaupflicht verstoßen habe. Ein Linksabbieger müsse sich vor dem Einordnen und erneut unmittelbar vor dem Abbiegen vergewissern, dass das beabsichtigte Abbiegen gefahrlos möglich sei. Der Autofahrer habe demgegenüber das Überholverbot missachtet und zudem bei unklarer Verkehrslage überholt. Diese ergebe sich aus dem nach links am Traktor gesetzten Blinker. Die mehrfachen und nicht unerheblichen Verstöße gegen Regeln des Straßenverkehrsrechts rechtfertigen somit auch die überwiegende Haftung des Pkw-Fahrers. Die Mitverantwortlichkeit des Traktorfahrers trete demgegenüber jedoch nicht gänzlich zurück. Zwar komme unter Umständen auch eine Alleinhaftung des Überholenden in Betracht - dies indes nur dann, wenn sich das Überholen als grob verkehrswidrig und rücksichtslos darstellt.

Hinweis: Wer links abbiegen will, hat vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Ein Fahrzeug, das überholen will und das bei der Rückschau gesehen wird, ist hierbei vor dem Abbiegen durchzulassen. Die doppelte Rückschaupflicht entfällt nur, wenn die Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn ein Linksüberholen technisch unmöglich ist oder dies besonders grob verkehrswidrig wäre und deshalb auch bei größter Sorgfalt nicht voraussehbar ist, oder bei Gewissheit, dass der nachfolgende Verkehr das Abbiegen nach links erkannt hat. Daher haftet grundsätzlich der Linksabbieger im Fall einer Kollision mit einem überholenden Fahrzeug zu 100 %.


Quelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.04.2024 - 1 U 116/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2024)

Wartepflicht des Linksabbiegers: Gebotene Vorsicht bei drohender Überschneidung zweier Fahrwege im Einmündungsbereich

Beim Verkehrsrechtsfall, den das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) bewerten musste, handelte es sich um einen Klassiker - den Abbiegeunfall. Weil sich der Halter eines Fahrzeugs, dessen Fahrerin nach links abbiegen wollte, mit der hälftigen Haftungsverteilung nicht abfinden wollte, kam das Urteil des Landgerichts (LG) folglich auf den Prüfstand.

Beim Verkehrsrechtsfall, den das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) bewerten musste, handelte es sich um einen Klassiker - den Abbiegeunfall. Weil sich der Halter eines Fahrzeugs, dessen Fahrerin nach links abbiegen wollte, mit der hälftigen Haftungsverteilung nicht abfinden wollte, kam das Urteil des Landgerichts (LG) folglich auf den Prüfstand.

Zwischen einem Pkw, dessen Fahrerin nach links abbog, und einem aus der Gegenrichtung in die gleiche Richtung (entsprechend nach rechts) abbiegenden Fahrzeug kam es innerorts zu einem Unfall. Das nach links abbiegende Fahrzeug wurde hierbei auf der gesamten Beifahrerseite beschädigt. Der Halter dieses Fahrzeugs verlangte von der gegnerischen Haftpflichtversicherung Ersatz seines Schadens zu 100 %. Das zunächst mit der Sache befasste LG nahm hingegen eine Schadensverteilung von 50:50 vor. Genau dagegen richtet sich die Berufung des Halters des linksabbiegenden Fahrzeugs.

Das OLG hat in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass die vorgenommene Haftungsverteilung von 50:50 nicht zu beanstanden ist. Derjenige, der nach links abbiegen will, hat entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollen, durchfahren zu lassen. Den Linksabbieger trifft mithin grundsätzlich eine Wartepflicht gegenüber dem entgegenkommenden Verkehr. Die Wartepflicht des Linksabbiegers entfällt auch nicht, sobald sich der Linksabbieger in den Bereich der Vorfahrtstraße, in die er einbiegen will, begeben hat. Denn allein dadurch wird er noch nicht zum Benutzer der Vorfahrtstraße und damit gegenüber dem Gegenverkehr bevorrechtigt. Zu einem solchen wird er erst, wenn der Linksabbiegevorgang vollständig abgeschlossen ist - und dies kann nur angenommen werden, soweit keine Schrägstellung mehr vorliegt. Den Rechtsabbieger trifft wiederum der Vorwurf, gegen das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme verstoßen zu haben. Nach Auffassung des Senats steht dem Linksabbieger demnach kein über 50 % hinausgehender Schadensersatzanspruch zu.

Hinweis: Sobald der Linksabbieger erkennen kann, dass ein sich aus der Gegenrichtung näherndes Fahrzeug nach rechts abbiegen will und es daher zu einer Überschneidung der Fahrzeugwege im Einmündungsbereich oder auf der nachfolgenden Straße kommen wird, setzt die Wartepflicht des Linksabbiegers ein.


Quelle: OLG Nürnberg, Beschl. v. 03.06.2024 - 3 U 746/24
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2024)

Schimmel in Frischetheke: Stellvertretender Filialleiter lediglich zu Stichprobenkontrollen verpflichtet

Bei dem Wort "Frischetheke" sollte man nicht an Schimmel denken müssen. Dennoch passiert es, dass das dort angebotene Obst und Gemüse nicht so frisch ist wie erwartet. Die Frage, die das Arbeitsgericht Siegburg (ArbG) zu beantworten hatte, war, wer für einen solchen - sich gar wiederholenden - Lapsus verantwortlich sei. Der Arbeitgeber meinte hier: der stellvertrende Filialleiter. Richtig?

Bei dem Wort "Frischetheke" sollte man nicht an Schimmel denken müssen. Dennoch passiert es, dass das dort angebotene Obst und Gemüse nicht so frisch ist wie erwartet. Die Frage, die das Arbeitsgericht Siegburg (ArbG) zu beantworten hatte, war, wer für einen solchen - sich gar wiederholenden - Lapsus verantwortlich sei. Der Arbeitgeber meinte hier: der stellvertrende Filialleiter. Richtig?

Ein Arbeitnehmer war seit sieben Jahren als stellvertretender Filialleiter eines Discounters beschäftigt. In seine Zuständigkeit fiel auch die Frischetheke. Bei einer Kontrolle entdeckte die Regionalleitung dort verdorbene Ware. Dafür mahnte die Regionalleitung den Arbeitnehmer ab. Als sich der Vorfall wiederholte und bei einer weiteren Kontrolle wieder verschimmeltes Obst und Gemüse in der Frischetheke gefunden wurde, kündigte der Arbeitgeber dem stellvertretenden Filialleiter fristlos. Dieser legte daraufhin eine Kündigungsschutzklage ein und berief sich darauf, dass er die Frischetheke des Supermarkts immer stichprobenartig kontrolliert habe. Dabei sei ihm allerdings nichts aufgefallen. Zudem habe er die ihm disziplinarisch unterstellten Kollegen angewiesen, nach verdorbener Ware zu suchen. Auch diesen sei dabei keine verschimmelte Ware aufgefallen.

Das ArbG bestätigte, dass der Arbeitnehmer durchaus berechtigt gewesen sei, die Warenkontrolle auf Mitarbeiter zu übertragen, die ihm disziplinarisch unterstellt gewesen seien. Schließlich könne ein stellvertretender Filialleiter nicht sämtliche anfallenden Aufgaben selbst wahrnehmen. Dies habe zur Folge, dass der Arbeitnehmer seinerseits nur Stichprobenkontrollen habe durchführen müssen - und dass er die stichprobenartigen Kontrollen nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe, sei nicht nachgewiesen worden. Somit war die erfolgte Kündigung als nicht rechtmäßig anzusehen.

Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Vieles spricht jedoch für die Richtigkeit. Vorgesetzte müssen in der Regel nicht für Fehler persönlich einstehen.


Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 26.06.2024 - 3 Ca 386/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 09/2024)

Möglichkeiten nicht ausgeschöpft: BGH lehnt Verweigerung eines Notars zur Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses ab

Notare sind in einem gewissen Umfang gesetzlich dazu verpflichtet, Urkunden zu erstellen. Verweigert ein Notar die Erstellung einer solchen Urkunde, sind an diese Berechtigung zur Verweigerung hohe Anforderungen geknüpft. Im folgenden Fall des Bundesgerichtshofs (BGH) verweigerte ein Notar die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses - ob zu Recht, lesen Sie hier.

Notare sind in einem gewissen Umfang gesetzlich dazu verpflichtet, Urkunden zu erstellen. Verweigert ein Notar die Erstellung einer solchen Urkunde, sind an diese Berechtigung zur Verweigerung hohe Anforderungen geknüpft. Im folgenden Fall des Bundesgerichtshofs (BGH) verweigerte ein Notar die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses - ob zu Recht, lesen Sie hier.

Der im Jahr 2020 verstorbene Erblasser hatte seine Lebensgefährtin als Alleinerbin eingesetzt. Diese wurde aufgrund eines Teilurteils dazu verpflichtet, ein notarielles Nachlassverzeichnis zu erstellen. Hiermit beauftragte die Erbin einen Notar, der in der Folge eigene Ermittlungen zum Bestand des Nachlasses anstellte. Dazu gehörten unter anderem Einsichten in elektronische Grundbücher mehrerer Amtsgerichte sowie die Einholung von Auskünften über Geschäftsverbindungen des Erblassers bei zehn Kreditinstituten. Der Notar war der Ansicht, dass die Erbin zu klärungsbedürftigen Sachverhalten keine Auskunft erteilen könne, weil sie nur eine verhältnismäßig kurze Zeit mit dem Erblasser zusammen gewesen sei. Da die Erbin ihrer Mitwirkungspflicht daher nicht nachgekommen sei oder nicht nachkommen könne, würde er als Notar ein Nachlassverzeichnis wegen der Vielzahl unklarer Sachverhalte folglich auch nicht erstellen können.

Nachdem das Landgericht zunächst noch zugunsten des Notars entschieden hatte, dass die von ihm angestellten eigenen Ermittlungen angemessen und ausreichend gewesen seien und er aus diesem Grund mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln kein inhaltlich richtiges Nachlassverzeichnis erstellen konnte, hob der BGH diese Entscheidung wieder auf. Er war im Ergebnis der Ansicht, dass die bisherigen Tätigkeiten des Notars noch nicht ausreichend gewesen seien, um alle Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts auszuschöpfen. Nachdem die Erbin Andeutungen über Schenkungen des Erblassers an seine Enkelin gemacht hatte, hätte der Notar selbst Nachforschungen zu Zeitpunkt und Höhe etwaiger Schenkungen durch Einsichtnahme in Kontoauszüge anstellen müssen. Auch hätte es nahegelegen, die entsprechenden Personen zu möglichen Schenkungen zu befragen. Wenn nach den gebotenen Nachforschungen und einer Mitwirkung der Erbin Zweifel verbleiben, können diese im Nachlassverzeichnis zum Ausdruck gebracht werden. Derlei Zweifel berechtigen jedoch nicht dazu, die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses gänzlich zu verweigern.

Hinweis: Der Notar hat im Rahmen der Ermittlung zum Nachlass alle Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter als erforderlich ansehen würde. Der Notar kann beispielsweise die Erbin auch auffordern, eigene Auskunftsansprüche gegenüber Geldinstituten durchzusetzen.


Quelle: BGH, Beschl. v. 19.06.2024 - IV ZB 13/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2024)

Lieferdienstfahrer dürfen wählen: Eigenständiger Betriebsrat für räumlich und organisatorisch abgegrenzten Betriebsteil

Die digitalen Zeiten machen es möglich, dass Arbeitnehmer zunehmend örtlich flexibel eingesetzt werden können. Ob und wie dann noch eine Trennung zu anderen Zuständigkeitsgebieten und betrieblichen Organisationsstrukturen möglich ist, war eine Frage für Lieferdienstfahrer, die per App eingesetzt wurden. Über deren Anliegen, einen eigenen Betriebsrat zu bekommen, hat das Arbeitsgericht Aachen (ArbG) entschieden.

Die digitalen Zeiten machen es möglich, dass Arbeitnehmer zunehmend örtlich flexibel eingesetzt werden können. Ob und wie dann noch eine Trennung zu anderen Zuständigkeitsgebieten und betrieblichen Organisationsstrukturen möglich ist, war eine Frage für Lieferdienstfahrer, die per App eingesetzt wurden. Über deren Anliegen, einen eigenen Betriebsrat zu bekommen, hat das Arbeitsgericht Aachen (ArbG) entschieden.

Die Fahrer eines Lieferdiensts für das Liefergebiet Aachen wählten im Mai 2023 einen aus drei Personen bestehenden Betriebsrat. Der Arbeitgeber hielt die Betriebsratswahl jedoch für unwirksam und ging gegen die Betriebsratswahl gerichtlich vor. Er meinte, dass das Liefergebiet Aachen über keine hinreichende organisatorische Selbständigkeit verfüge und die Fahrer aus Aachen einen einheitlichen Betrieb mit denen aus Köln bildeten.

Das ArbG war jedoch anderer Auffassung, lehnte die Wahlanfechtung ab und stellte klar, dass auch in einem qualifizierten Betriebsteil wie dem Liefergebiet Aachen ein eigenständiger Betriebsrat gewählt werden könne. Das begründete das Gericht damit, dass das Liefergebiet Aachen gegenüber dem Kölner Hauptgebiet in organisatorischer und räumlicher Hinsicht abgrenzbar sei. Dafür spreche die Ausübung des Weisungsrechts. Es genüge insoweit, dass im Rahmen der digitalen App alle Arbeitnehmer der abgrenzbaren Einheit in Aachen den Weisungsrechten einer Leitungsmacht unterstehen, die für die Einheit zuständig sei. Das war hier der Fall. Ein weiterer Punkt war, dass es keinen Austausch von Beschäftigten zwischen Aachen und Köln gebe.

Hinweis: Fahrer eines Lieferdiensts, die mittels App eingesetzt werden, können nach dieser Entscheidung also für ein abgrenzbares Liefergebiet einen eigenständigen Betriebsrat wählen.


Quelle: ArbG Aachen, Beschl. v. 23.04.2024 - 2 BV 56/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 09/2024)

Keine Übertragung von Bagatellen: Grundrentenentgeltpunkte im Versorgungsausgleich

Wer 33 oder mehr Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, erwirbt sogenannte Grundrentenpunkte für langjährig Versicherte. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs bei Scheidung stellt sich die Frage, ob diese Grundrentenpunkte separat zu betrachten seien oder womöglich eher als "Bagatelle" nicht aufgeteilt werden müssten. In einem solchen Fall war kürzlich das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) gefragt.

Wer 33 oder mehr Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, erwirbt sogenannte Grundrentenpunkte für langjährig Versicherte. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs bei Scheidung stellt sich die Frage, ob diese Grundrentenpunkte separat zu betrachten seien oder womöglich eher als "Bagatelle" nicht aufgeteilt werden müssten. In einem solchen Fall war kürzlich das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) gefragt.

Hier hatte die Ehefrau neben dem "normalen" Anrecht in der allgemeinen Rentenversicherung einen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sogenannte Grundrentenentgeltpunkte) erlangt. Der Grundrentenanteil allein betrachtet lag als Kapitalwert unterhalb der 2023 geltenden Bagatellgrenze von 4.074 EUR. Nun stellte sich die Frage, ob diese Bagatelle einen zusätzlichen Aufwand begründen könne. Zwar entstehe bei der Grundrente durch die Übertragung der Entgeltpunkte als solche kein besonderer Verwaltungsaufwand. Im Alter wäre dann aber zu prüfen, ob es überhaupt zur Auszahlung kommt. Das hängt vom Einkommen ab. Ob dieser Aufwand ins Gewicht fällt, beurteilten die Gerichte bisher verschieden. Die Gerichte in Frankfurt, Oldenburg und Braunschweig sahen darin einen zu hohen Aufwand. Das Bamberger Gericht war der Auffassung, dass aufgrund des automatischen Abgleichs mit den Finanzbehörden dieses Verfahren recht mühelos verlaufen wird.

Der Senat des hier urteilenden OLG schloss sich nun der zuerst genannten Auffassung an. Es bedürfe schließlich nicht nur des jährlichen Abrufs der Daten, sondern auch der anschließenden Berechnung, ob und in welcher Höhe es zu einer Anrechnung käme. Zudem könne der an sich vorgesehene automatisierte Datenabgleich ins Leere gehen, wenn trotz der Steuererklärungspflicht keine Steuererklärung abgegeben wurde oder der Berechtigte nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sei. Das OLG bezog in die konkrete Abwägung noch mit ein, dass der Ehemann angesichts seiner wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich seiner Versorgungssituation nicht dringend auf den Ausgleich dieser letztendlich zusätzlichen 12 EUR monatlich angewiesen sei.

Hinweis: Der Rechtsmittelweg zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen, um die Rechtsprechung zu vereinheitlichen. Dazu kommt es aber nur, wenn der Ehemann auf seine 12 EUR so viel Wert legt, dass er auf sein Kostenrisiko zur Rechtsfortbildung beitragen will.
 
 


Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.06.2024 - 16 UF 82/24
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 09/2024)

Grundsatz der Entgeltgleichheit: Differenzierungskriterien müssen arbeitgeberseitig hinreichend und konkret dargestellt werden

Der Gendergap bleibt auch 2024 hartnäckig: Frauen verdienen weniger als Männer. Argumentativ beharren Arbeitgeber oft auf dem Standpunkt, dass es schließlich Verhandlungssache sei, welches Gehalt man für seine Arbeit verlange. Rechtlich interessant wird es aber, sobald es um vergleichbare Positionen geht, auf denen Mann und Frau arbeiten. Dann darf es nämlich gerade keinen Unterschied in der Bezahlung geben. Einen solchen Fall nahm sich kürzlich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) vor.

Der Gendergap bleibt auch 2024 hartnäckig: Frauen verdienen weniger als Männer. Argumentativ beharren Arbeitgeber oft auf dem Standpunkt, dass es schließlich Verhandlungssache sei, welches Gehalt man für seine Arbeit verlange. Rechtlich interessant wird es aber, sobald es um vergleichbare Positionen geht, auf denen Mann und Frau arbeiten. Dann darf es nämlich gerade keinen Unterschied in der Bezahlung geben. Einen solchen Fall nahm sich kürzlich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) vor.

Eine Angestellte begehrte dort mit einer Klage unter Berufung auf das Entgelttransparenzgesetz eine höhere Vergütung. Die Abgrenzung der einschlägigen männlichen Vergleichsgruppe und die Höhe von deren Vergütung standen fest. Demnach waren jedenfalls die Gehaltsbestandteile "Grundgehalt" und "Dividendenäquivalent" bei der Frau geringer als im Median ihrer männlichen Vergleichsgruppe.

Das reichte dem LAG aus. Eine festgestellte Vergütungsdifferenz zwischen dem Arbeitsentgelt einer Arbeitnehmerin und dem der männlichen Vergleichsgruppe ist ein Indiz für eine Verletzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit. Die entsprechende Vermutung muss der Arbeitgeber widerlegen. Die Arbeitgeberin hatte sich hier zwar darauf berufen, dass die männlichen Kollegen durchschnittlich etwas länger im Unternehmen beschäftigt seien und dass die Frau "unterdurchschnittlich performed" hätte. Damit habe sie jedoch die von ihr angewandten Differenzierungskriterien nicht hinreichend konkret dargestellt. Denn aus ihren Angaben ging nicht hervor, wie sie die Kriterien "Berufserfahrung", "Betriebszugehörigkeit" und "Arbeitsqualität" im Einzelnen bewertet und wie sie diese Kriterien zueinander gewichtet.

Hinweis: Es wird für Arbeitgeber also schwieriger, unterschiedliche Löhne zu begründen, wenn keine nachvollziehbaren Gründe greifbar sind.


Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.06.2024 - 4 Sa 26/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 09/2024)